Donnerstag, 6. Oktober 2011

"Sightseeing"

Oktober.

Wir starten eher konventionell in den neuen Monat, nämlich mit einem sehr touristischen Besuch in den Kakum National Park.
Dafür bestellen wir den Fahrer, der uns auch vom Flughafen in Accra nach Hause gefahren hat. Morgens um halb sieben soll er
zuerst zu uns kommen. Viertel nach sieben kommt er. Danach holen wir die andere WG in Nkanfoa ab, um schließlich noch bei Emma
vorbeizufahren, um den Rest abzuholen, Till und Jessica aus Eguafo inbegriffen.
Wir passen ganz genau in unseren bereits bekannten Ford Club Van, der über 14 sehr bequeme Sitze verfügt. Allein die Klimaanlage ist
etwas kalt, was man besonders beim Aussteigen merkt.
Ich weiß nicht genau, wie lange wir gefahren sind, aber wahrscheinlich so zwischen 30 und 45 Minuten, je nachdem, ab welchem Haus man
rechnet. Jedenfalls dauerte es nicht lange, da waren wir auch schon vor den Toren von Kakum. Vor den Toren. Um hindurchfahren zu dürfen,
mussten wir eine "gate fee" von einem Cedi pro Person bezahlen.
Was ich mit "touristisch" gemeint habe, betrifft nicht nur die Fahrt mit dem gemieteten Van, der uns übrigens 150 Cedi pro Tag kostet,
sondern vor allem die Ankunft im Park. Als versammelte Truppe von Rucksackträgern machen wir erst einmal ein Gruppenfoto vor dem Eingangbereich.
Anschließend eine neue Erfahrung: Mehr weiße Menschen als Farbige. Der Anblick überrascht definitiv. Oder auch nicht, natürlich konnte man
damit rechnen, dass es so kommen würde, aber in unserem Alltag sind wir meistens die einzigen Weißen in unserem Umfeld.
Nach diesem "Schock" eine weitere Erfahrung, die man in Deutschland nicht machen würde: Der Eintritt für Einheimische beträgt 1,80,
für uns sind es 15 Cedi - wobei das nur halb so viel ist wie der Normalpreis, da wir als Freiwillige immerhin Ermäßigung bekommen.
Für diesen Preis sieht man auch nicht allzu viel vom Park. Wir konnten wählen zwischen dem Canopy Walkway für 15 und dem Nature Walk für
7,5 Cedi. Natürlich hätten wir auch beides machen können, so viel Geld auf einmal wollten wir dann aber auch nicht ausgeben, schließlich
hatten wir schon den Van gemietet.
Wir entschieden uns todesmütig für den Canopy Walkway, einem Rundgang durch einen Teil des Parks auf einer 15- 40m hohen Hängeseilbrücke.
Aber von vorn. Zusammen mit ein paar anderen Freiwilligen aus Deutschland und Holland, ein paar Leuten aus Schottland und deren
Projektkoordinatoren aus der Voltaregion, sowie George, unserem Führer, liefen wir erst ein paar Minuten durch den Regenwald, während er uns
ein bisschen was zur Geschichte und ein paar Daten und Fakten erzählte. Nur so viel: Kakum ist einer der kleinen Parks in Ghana, hat aber
auch schon 360 km² und den Canopy Walkway haben zwei Kanadier geplant und gebaut. Er sieht in etwa so aus, dass zwischen den ziemlich
hohen Bäumen des Regenwaldes Seile gespannt wurden, die insgesamt sechs Plattformen verbinden (Holzgerüste an den Bäumen, auf denen man
kurz pausieren kann oder muss, bis es wieder weiter geht). Man läuft also über diese Hängebrücken, die komplett aus - teilweise etwas modrig
aussehenden - Seilen bestehen. Auf den Seilen liegen schmale Holzplanken, aber diese liegen nur auf. Auch das "Geländer" besteht aus
Seilen. Für Menschen mit Höhenangst ist das definitiv ein Extremfall, da man zu allen Seiten, auch zum "Boden" hin, durchschauen kann.
Zudem schwankt es doch ziemlich, sodass man sich manchmal festhalten muss. So mancher war etwas besorgt, ich persönlich habe mich riesig
gefreut und hatte sehr viel Spaß, auch wenn es am Ende natürlich viel zu schnell vorbeiging.

Und da es noch immer ziemlich früh am Tag war, fuhren wir auf dem Rückweg noch beim Hans Cottage vorbei, einer kleinen Krokodilszucht.
Wobei sich "klein" eher auf die Größe der Krokodile (etwa zwei Meter Länge), als deren Anzahl bezieht, denn es waren 35, die sich da
in dem Tümpel tummelten. Viele bekamen wir leider nicht zu sehen, da es zu kalt war, wie man uns sagte. Außerdem nieselte es.
Es lief ungefähr so ab, dass ein Mann pfeiffend Fleisch an einem Stock durchs Wasser zog, bis sich ein Krokodil ans Ufer bewegte.
Der weitere Plan wäre gewesen, dass das entsprechende Krokodil aus dem Wasser rauskommt, sodass man es anfassen kann!
Daraus wurde leider nichts, aber vielleicht beim nächsten Mal, wenn sich ein Freiwilliger finden sollte.

Das restliche Wochenende verbrachten wir Zuhause oder auf dem Kotokuraba Market, der wirklich sehenswert ist.
Man läuft auf ziemlich unbefestigtem Grund zwischen kleinen, engen Holzhütten, in denen es Tomaten, Yam, alles mögliche an Obst und
Gemüse, Dosen und Nudeln, Haushaltswaren und allerlei Sachen gibt, die einem beim Vorbeiquetschen durch die engen Gassen, angepriesen
werden. Das Ganze spielt sich völlig im Hintergrund, der Straße abgewandt, ab und man braucht eine Weile, bis man den Weg aus diesem
Labyrinth von Hütten und Menschen und Ware und Staub wieder herausfindet.

Die neue Woche begann dann für mich ziemlich erfreulich. Ich durfte unterrichten. Genauer gesagt, hatte ich bereits einmal eine Stunde
English Grammar bei der Klasse 1B gegeben (das entspricht der siebten Klasse bei uns), aber diesmal durfte ich drei Stunden am Stück
unterrichten (Zeitstunden). Zwar völlig unvorbereitet, aber immerhin das Fach, das ich wollte: English Comprehension. In form 2B
(achte Klasse). Also habe ich die Klasse einen Text in verschiedenen Rollen lesen lassen. Anschließend habe ich dann noch einmal
andere Kinder den Text vorspielen lassen, um zu den Fragen überzugehen, die eigentlich schon einmal als Hausaufgabe gegeben wurden.
Es funktionierte aber eher schleppend, sodass ich mir etwas Autorität verschaffen musste, indem ich mit dem Cane (Rohrstock)
einmal kräftig auf den Tisch schulg. Damit hatten sie nicht gerechnet. Danach musste ich zwar noch öfters lauter werden,
aber es ging ganz gut. Die letzte Stunde beendete ich mit einem Diktat, was, wie ich beim Korrigieren merkte, nicht nur nicht gut,
sondern gar nicht funktionierte. Bei fünf Sätzen, die wir zuvor mehrmals gelesen hatten, waren 10- 20 Fehler eher normal, als Ausnahme.
Wenn ich später einmal feste Lehrzeiten habe, werde ich auf jeden Fall öfters ein Diktat machen, denn es gibt viel zu tun.

Die weitere Woche verlief gut und weitestgehend normal, mal mit Strom, mal ohne, mal mit Wasser, mal ohne, nur Dienstag hatte ich schon
früh Feierabend, da am nächsten Tag World Teacher Day war. Warum genau aber am Tag vorher früher Schluss war, das bleibt mir vorerst
ein Geheimnis. Wie so vieles in Ghana, auch wenn sich immer wieder so Manches lüftet...

Unsere versammelte Truppe vor dem Eingang Kakums

George, unser Führer

Der Canopy Walkway





Wie man Krokodile anlockt...


1 Kommentar:

  1. Hey Steffen, ganz liebe Grüße aus Bonn.
    Ich werde dir die Tage mal in Ruhe schreiben.

    aber Schriftsteller das würde zu dir passen :-)

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