Mittwoch, 26. Oktober 2011

"Alltag in Afrika"


Allmählich geht der Oktober schon wieder seinem Ende entgegen und so langsam kommen wir, denke ich, auch im afrikanischen Alltag an.

Und nachdem ich nun einige Zeit Lehrern hinterhergelaufen war, um ihren Unterricht zu beobachten, ohne besonders viel selbst unterrichtet zu haben, beschloss ich, das Ganze nun anders anzugehen.
Also entschied ich mich letzte Woche dafür, einfach morgens in die Schule zu kommen und mich direkt zu Mr.Noel und Mr.Dadzie zu gesellen. Sie sitzen die meiste Zeit draußen, neben dem Staff Room auf dem Gang, mit Blick aufs Meer. Vor ihnen stehen kleine Tische, auf denen sie ihre Bücher, Hefte und alles, was man eben so anschleppt, platzieren, gegebenenfalls auch das Mittagessen, oder im Falle des Mr.Dadzie: seine vier verschiedenen Handys.
So saß ich die ganze Woche, von Montag bis Donnerstag mit den beiden am Meer und entspannte ein wenig. Vor allem habe ich mich aber viel mit Mr.Noel und Mr.Dadzie unterhalten. Über Deutschland und wie das Wetter und der Winter dort so sind, über Ghana, das Zulassungssystem für Autos, wie Lehrer so leben, wer wie viel Steuern zahlt, über Fußball natürlich, über ihre Familien, über meine zukünftige Arbeit, über eigentlich so ziemlich alles. Ich habe viel über Land und Leute gelernt und zwischendurch fand ich noch Zeit ein halbes Skizzenbuch vollzuzeichnen. Schön war auch immer das gemeinsame Essen. Fast jeden Tag lässt sich Mr.Dadzie Ken Ke bringen und wir drei und Mr.Ampah essen gemeinsam draußen, an einem kleinen Tisch. Ken Ke ist eine Art Maisbrei, den man mit den Fingern aus den Maisblättern heraus isst (vorsicht, heiß).
Man knetet die Masse ein wenig und tunkt sie dann in Pfeffersoße. Dazu isst man gebratenen Fisch, ganz, versteht sich. Das habe ich inzwischen auch schon versucht. Man fängt einfach beim Schwanz an, isst, kümmert sich nicht um irgendwelche Gräten, bis man am Kopf angelangt ist und dann durch...Aber ich muss auch nicht unbedingt immer den ganzen Fisch oder die ganze Garnele essen, das wird zum Glück auch nicht von mir erwartet. Eher heißt es dann "The head is for the Africans".
Ebenfalls gefallen fand ich an Issac, einem ehemaligen Lehrer der PQBS, der vorbeikam, weil er gehört hatte, dass dort ein Deutscher weilt. Er hat sich vor kurzem einen weinroten 2000er VW Passat aus Deutschland schicken lassen und hat, verständlicherweise, Probleme, das deutsche Handbuch zu lesen.
Also nahm ich mir Zeit, ihm das gesamte Auto zu erklären, die Betriebsanleitung zu übersetzen und ihm alles zu sagen, was ich für wichtig hielt, oder was er wissen wollte. Vor allem, was die verschiedenen Warnleuchten zu bedeuten haben. Schließlich musste ich ihm noch erklären, dass er weder Nebelschlussleuchte noch Heckscheibenheizung brauchen würde, wir in Deutschland hingegen schon. Er hat, meiner Meinung nach, einen guten Kauf gemacht, Cockpit, Motorraum und sogar der Lack sehen sehr gut aus und ich hoffe,
der Wagen hält nun auch durch. Ich bin nun auf jeden Fall sein Mann für alle Fragen zu diesem Fahrzeug und er freut sich immer sehr, wenn er mich sieht.
Neben Einweisungen in deutsche Autos fand ich diese Woche noch manche andere Tätigkeit, zum Beispiel Lehrer beim Umgang mit Microsoft Word zu betreuen oder, besonders interessant,
einen Shop zu streichen. Als ich auf dem Heimweg bei Gideon und Elizabeth, zwei Jugendlichen in unserer Nachbarschaft, vorbeiging, fragten sie mich, ob ich ihnen helfen könnte, weil sie nicht so groß sind. Es hat mir wirklich sehr Spaß gemacht, den beiden zu helfen, zudem ist es sehr schön, mit den Menschen hier mal einfach so in Kontakt zu kommen, ohne, dass irgendjemand einem was verkaufen oder "best friend" sein will. Jana und ich haben den beiden dann noch etwas Deutsch und Französisch beigebracht und sind erst nach über einer Stunde wieder heimgegangen. Besonders schön bei diesen kleinen Hilfestellungen, sei es das Streichen des Shops oder das Erklären der Funktionen des Bordcomputers eines VW Passat,
war das Gefühl, mal gebraucht zu werden, nützlich zu sein und etwas zu tun, bei dem man Ergebnisse sieht.
In der Schule ging es derweil wie gewohnt weiter. Donnerstag, als ich gerade die Schule verlassen wollte, fragte mich Mr.Noel dann:

"Are you going home? Without teaching today? Let me call Angela Merkel..." in diesem Moment holt er sein Handy aus der Hemdtasche, hält es ans Ohr und fährt fort:
"Hello Angie? Yeah, going home...no, not doing anything...just sitting around..."

Mit einem Lachen beendete er das "Telefonat" und ich ging Heim, ohne am nächsten Tag etwas an meinem Ablauf zu ändern.
Freitag jedoch sollte alles anders kommen. Nach der Assembly kamen verschiedene Schüler zu mir und meinten, sie hätten Englisch, aber es wäre kein Lehrer da. Nach einer Runde im Staff Room stellte ich fest, dass weder Madam Cynthia noch Madam Monney anwesend war und ging in die Klasse. Beziehungsweise Klassen. Denn es hatten form 3 ( 9.Klasse) und form 1A (7.Klasse) gleichzeitig Englischunterricht. Also pendelte ich immer alle paar Minuten zwischen zwei Gebäuden hin und her, immer auf der Suche nach Büchern, Heften, Anweisungen gebend und diese nochmal an die Tafel schreibend. Im Anschluss ging es gleich weiter mit form 2B, der eindeutig schlechtesten Klasse der Schule. Die Schüler sind großteils schon sehr alt (angebich ist der Älteste 24 und 18 ist keine Seltenheit, wohlgemerkt in der 8.Klasse) und verstehen nicht viel, von dem, was wir zusammen lesen. Aber auch nach dieser sehr anstrengenden Doppelstunde (der Unterricht wird immer in Doppelstunden gehalten) war noch keine Pause in Sicht, es ging sofort mit form 2A und 1B weiter. Wieder parallel. Es lief inzwischen besser, aber an irgendetwas fehlt es immer, oder ich muss
sehr laut werden, um Ruhe in die Klasse zu bringen.

So fand die Woche ein Ende, das sich sehen lassen konnte. In 5 Stunden hatte ich 5 Klassen unterrichtet. 
Das sollte mir erst einmal ein ghanaischer Lehrer nachmachen.

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