Nun ist es genau ein halbes Jahr her, dass ich die Reise von Deutschland nach Ghana angetreten habe.
Bevor ich allerdings die vorzeitige Heimreise antrat, hatte ich noch, wie bereits erzählt, eine ereignisreiche Woche - so auch der letzte Freitag:
"Milo Tournament"
Am Freitag fand das lang ersehnte (und teilweise auch gefürchtete) Basketballturnier statt, dass von Hoops Care International zum zweiten Mal initiiert und von Milo (Nestlé) gesponsert wurde.
Schon seit Monaten hatten die Jungs und ich häufig und intensiv trainiert, versucht möglichst viele Fehler auszubessern, aber der Erfolgsdruck war da, letztes Jahr hatte mein Vorgänger mit seinem Team den dritten Platz geholt und somit sehenswerte 100 Cedi gewonnen.
Morgens um sechs stand ich am Basketballplatz und es war - oh Wunder - noch nichts vorbereitet oder aufgebaut worden. Die Uhr läuft anders in Ghana. Gegen halb sieben begannen wir mit einem letzten Training vor dem Turnier. Noch einmal zwei Stunden Vorbereitung, die Jungs machten gut mit, sehr gut sogar und ich konnte eine deutliche Leistungssteigerung bei einigen von ihnen erkennen. Irgendwann mussten wir den Platz dann räumen, die Jungs beim Aufbau von Zelten, Stühlen etc. mithelfen. Ich entspannte mich noch ein bisschen, überlegte mir, wen ich auf welcher Position spielen lassen würde. Ein LKW kam, baute Flaggenmasten von Milo auf, Lautsprecher und Soundanlage wurden installiert, die Tribüne zurechtgerückt. Ich registrierte unsere Mannschaft bei Hoops, setzte mich mit meinem Team und meinem Cotrainer Michael Otoo auf ein paar typische Plastikstühle und wartete, was da auf uns zukommen mochte. Dann wurden die Spiele ausgelost. In der ersten Runde der Vorrundenspiele war das dritte Spiel das unsrige - Philip Quaque gegen Mfantsepim. Letztes Jahr, so sagten die Jungs, hätten sie gegen Mfantsepim gewonnen. Ich war gespannt, aber zuversichtlich aufgrund der bisherigen Leistungen meines Teams im Training. Gespielt wurde in zwei Hälften à 7min. Und Mfantsepim spielte uns gegen die Wand! Die Jungs liefen weder zurück zur Defense, noch griffen sie an, sie passten nicht oder sehr schlecht, verloren jeden Ball und foulten andauernd. So kassierten wir fast alle Treffer über Straffreiwürfe, mein Kapitän, Emmanuel Kuenyinga, wurde wegen seinen überflüssigen fünf Fouls vom Platz gestellt. Für ihn schickte ich John Acuaye auf den Platz, der glücklicherweise einen Korb machte, sodass wir immerhin nicht zu Null verloren. Auch ich, muss ich erwähnen, machte viele Fehler. Ich beobachtete die Jungs vom Rand, kommunizierte aber viel zu wenig. Rumschreien ist nicht so mein Fall, deshalb überließ ich diesen Part später Michael, während ich weiter beobachtete und versuchte, Fehler auszumerzen. Unsere erste, niederschmetternde Niederlage betrug 2:12. Die Jungs waren danach so demotiviert, dass ich wirklich kämpfen musste, um sie wieder aufzubauen und gleichzeitig auch noch ihre Fehler zu beheben. Man muss aber auch sagen, dass Mfantsepim sehr stark gespielt und sich wenig Fehler erlaubt hat, sie haben jede ihrer Chancen genutzt, fast jeden Ball verwandelt.
Nach einer Pause, Teambesprechung und erneuter Koordination, Neuaufstellung der First Five, ging es in die zweite Runde. Diesmal hieß unser Gegner George Ekem Ferguson. Diese Jungs waren deutlich schwächer einzuschätzen, ich hoffte auf einen Sieg, der das Team wieder motivieren würde. So starteten wir noch etwas holprig, noch immer mit zu vielen Fehlern, aber deutlich weniger als zuvor. Die Jungs kamen schneller zurück zur Verteidigung, griffen stärker an, passten genauer, verloren weniger Bälle, ergatterten mehr. Alles in allem spielten sie gut, natürlich war der Gegner deutlich schwächer als der letzte, sie konnten durchaus stolz sein auf ihren 10:6 Sieg. Auch ich coachte nun besser, griff mehr ein, sprach die Wechsel mit Michael ab, ließ ihn weitergeben, was ich mir ausdachte.
Dann musste ich noch Emma treffen, die am Tag zuvor meinetwegen nach Accra gefahren war, um meinen Pass bei der Immigration Office abzuholen. Während ich bei ihr stand und mit ihr redete, hörte ich wie PQBS ausgerufen wurde, es lief ein Countdown für die Spieler, um auf dem Platz zu erscheinen. Ich sprang über das Geländer und eilte zum Feld, denn auch Michael hatte nichts mitbekommen, ein paar vereinzelte Jungs standen da, aber sobald ich vor Ort war, beruhigte sich die Lage. Nun ging alles sehr schnell, schnell mussten wir uns eine Aufstellung ausdenken, wir waren ziemlich überrascht davon, dass wir so schnell nach dem letzten Spiel wieder dran waren. Wir waren alles andere als optimal vorbereitet und dann ging es auch noch gegen die Jubilee School, den Gewinner des letzten Jahres. Die Spieler trainieren seit einiger Zeit morgens bei uns am Victoria Park mit und ich weiß, wie gut sie sind. Und sie sind sehr gut. Auch wenn sie versucht haben, zu betrügen, indem sie zwei Spieler ins Team aufgenommen haben, die die Junior High bereits beendet haben und nun auf der Senior High sind und somit nicht mehr zum Turnier zugelassen, welches nur für JHS Schüler sein soll. Aber all das klärte sich auf und es ging nun für uns ums Weiterkommen ins Halbfinale - und das gegen einen solchen Gegner! Sieg oder Scheitern. Gewinnen oder frühzeitiges Ausscheiden. Trotz der anfänglichen Überrumpelung hielten sich die Jungs prima, führten sogar die gesamte erste Halbzeit über. Die zweite Hälfte verlief dann etwas unglücklich. Zuerst wurde Kuenyinga gefoult, der das Team nun ordentlich anführte. Er bekam einen Ellenbogen ins Gesicht, an den Kiefer und musste, vor Schmerz einige Tränen vergießend, ausgewechselt werden. Im Folgenden kassierten wir zwei oder drei Treffer zuviel. Zwar wechselte ich ihn wieder ein und er schaffte auch noch einen fantastischen Drei- Punkte- Wurf, nachdem er zuvor seine beiden Freiwürfe in den Sand gesetzt hatte, aber es reichte schlussendlich nach einem sehr harten Match nur für ein bitteres, aber immerhin sehenswertes 13:9.
Somit waren wir leider ausgeschieden, nach den Halbfinals hieß es dann Jubilee School gegen Mfantsepim im Finale, zwischendurch gab es noch Unterhaltung durch Tanzaufführungen, Choreografien von den verschiedenen teilnehmenden Schulen Philip Quaque, Ekem Ferguson, Mfantsepim, Jubilee, William de Graft, St. Nicholas und John Sankey, sowie von den Mädchenschulen Wesley Girls und St. Monica. Auch Rapauftritte gab es, Gratis- Milo- Drinks und reichlich laute Musik. Alles in allem war es ein schöner und unterhaltsamer Tag, wenn er auch nicht ganz glücklich endete. Ich überreichte den Jungs dann noch Urkunden, die ich zuvor gestaltet hatte, in denen ich ihnen zertifizierte, dass sie in diesem Jahr am Basketballkurs, sowie am Turnier, teilgenommen hatten. Sie freuten sich und ich mich mit ihnen und so ging mein letzter Tag am Victoria Park Basketballplatz, an den ich mit Sicherheit öfters zurückdenken werde, zu Ende.
Zuhause fing ich an zu packen und abends gegen acht machten wir uns noch einmal auf den Weg in meinen Lieblingsspot, das Solace. Dort traf ich mich ein letztes Mal mit all unseren Freiwilligen. Jeder war anwesend und es wurde ein schöner Abend, auch wenn ich von der vergangenen Woche mehr als müde war. Erschöpft verkündete ich gegen Mitternacht das Ende der Feier und machte mich mit meiner WG auf dem Heimweg.
"Abschied und Heimflug"
Samstagmorgen war erst einmal ausschlafen angesagt. Dann packte ich meine restlichen Sachen zusammen, räumte mein Zimmer leer, verabschiedete mich von allem, meiner Heimat für das vergangene halbe Jahr, Findus. Gegen Mittag ließ ich mich bzw. uns von Abei abholen und zur MMT Bus Station in der Stadt bringen. Alle zusammen, das heißt Jessica, Gesine, Hannah, Jana und ich fuhren wir dann - zum Abschluss mit dem ältesten und heruntergekommensten Bus, den ich je erwischt hatte - nach Accra. Von Kaneshie stiegen wir, wie gewohnt, in ein Taxi zum Flughafen. Auch dieses stand kurz vor dem Exitus und der Fahrer erklärte uns, dass er die Schleichwege benutzen müsste, da er uns zu fünft mitgenommen hatte, weshalb ihn die Polizei, wenn sie ihn sähe, sofort unter Arrest stellen würde. So bekamen wir mal ein paar andere Ecken zwischen Kaneshi und dem Kotoka International Airport zu sehen, als die übliche Hauptstraße und kamen dennoch mehr als rechtzeitig und wohl behalten an. Wir gingen noch etwas essen. Ich gönnte mir ein letztes Mal Fried Rice mit Salat und Chicken, dazu Milo. Danach gingen wir zur Abflughalle, ich schleuste die Mädels durch, die ja eigentlich nicht reisten, zudem ohne Pass waren und eigentlich gar nicht das Gebäude hätten betreten dürfen. Aber ich kannte das ja schon vom letzten Mal. Gegen acht sechs öffnete bereits der Check- in- Schalter, ich kam schnell an die Reihe und man sagte mir, dass ich zwischen sieben und viertel nach Acht am Gate zu sein hätte, obwohl der Flug erst um 21:55 ging. Wir setzen uns also noch einmal in einem Restaurant zusammen, gingen dann hoch, wo wir uns leider verabschieden mussten. Es war kein schöner Abschied, kam er doch früher als eigentlich geplant und doch nach einer Zeit, nach der man sich an das Zusammenleben gewöhnt hatte.
Zügig kam ich durch die Passkontrolle, die Handgepäck- und Personenkontrolle und zu meinem Gate, wo ich noch Elom kennenlernte, einen Ewe aus der Gegend von Hohoe, der in Togo zur Schule gegangen war und dort neben Englisch und Französisch auch Deutsch gelernt hatte. Gerne würde er nun in Accra auf die Universität gehen, die er sich mit seinem Gehalt von weniger als hundert Dollar pro Monat aber leider nicht leisten kann.
Ich bestieg das Flugzeug, eine Boeing 737-700ER von Turkish Airlines und freute mich über Komfort, Platz und das Unterhaltungspaket, welches mich über Nacht wachhalten sollte. So verging die Zeit sozusagen im Fluge, ziemlich pünkltich erreichte ich morgens um halb sieben, bei Sonnenaufgang, das Rollfeld in Istanbul, stieg in Hemd aus der Maschine und atmete die klare, kalte Luft, betrachtete den Niederschlag meines Atems, sichtbar in der strahlenden Morgensonne über der Stadt auf den zwei Kontinenten. Ich freute mich und war nun etwas aufgeregt aufgrund der sehr kurzen Umstiegszeit für meinen Anschlussflug. Ich reihte mich hinter all die reisenden Menschen, durch die Kontrolle, hetzte suchend durch die Gänge, von Schalter zu Schalter, immer den Schildern mit der Aufschrift "Transit" folgend. Leicht zu finden war er nicht, mein Flieger nach München, ich eilte durch die doch recht große Halle, bis zum anderen Ende, wo ich um 07:25, kurz vor knapp, als letzter Fluggast eincheckte. Mit ein bisschen Verspätung ging es dann mit dem selben Standard, den ich schon vom letzten Flug gewohnt war, weiter Richtung Deutschland. Zuerst überfiel mich doch die Müdigkeit, nach dem Essen unterhielt ich mich aber über den Großteil der Strecke mit meinem Sitznachbar, was mindestens so unterhaltsam war, wie das Entertainmentpaket von Turkish. Zwischen halb Zehn und Zehn landete ich endlich wieder auf deutschem Boden, schnellen Schrittes zur Gepäckausgabe und hinaus, in die Ankunftshalle, in der Julia bereits auf mich wartete.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen