Dienstag, 8. November 2011

"Wie die Zeit vergeht..."

Wie überall auf der Welt, so vergeht auch hier die Zeit sehr schnell, besonders wenn man beschäftigt ist und ständig von neuen Eindrücken überrannt wird. Wenn man dann eben mal innehält und zurückblickt, denkt man: "Was, wie lange bist du nun hier? Noch keine zwei Monate?" Und man merkt, was man wieder alles erlebt hat, in so kurzer Zeit, vor allem, wenn man nicht dazu kam, seinen Blog ordentlich weiterzuführen.

Ende Oktober stand das erste Fußballturnier an, bei dem meine Schule teilnahm. Es gibt in jedem Term (Das Schuljahr ist in drei Terms unterteilt) ein Fußball turnier im Bakaano Circuit, zu welchem etwa 14 Schulen gehören, von denen wiederrum 10 teilnahmen.
Das Ganze fand auf dem Fußballplatz der Methodist Middle School statt, weshalb ich mich sehr gefreut hatte, denn sie liegt nur ungefähr 15- 20 Gehminuten von unserem Haus hier in Ola entfernt. Wie sich herausstellte, musste ich dann allerdings Donnerstagmorgen an dieser Schule vorbeilaufen, das Taxi zu meiner Schule nehmen, wie jeden Morgen im Attendance Book unterschreiben, dass ich anwesend war, nur um anschließend wieder zurück zur Methodist Middle School zurückzufahren. Allerdings nicht sofort.
Mr.Noel bot mir freundlicherweise an, mich mitzunehmen, aber er müsse vorher noch etwas erledigen. So fuhren wir kurz nach acht Uhr zur NIB (National Investment Bank), bei der Mr.Noel einen Kredit beantragen wollte, denn er möchte gerne seinen Doktor in Deutschland machen. So bald wie möglich. Die Bank hatte jedoch noch zu, wir warteten also. Auch in der Bank wartete ich eine Weile, weil man gerne mal von dem einen zum anderen Sachbearbeiter hin- und hergeschickt wird, um letztendlich wieder zum Ersten zurückzukehren. Mann könnte es überflüssige Bürokratie nennen oder einfach Schikane, denn als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme scheint es mir angesichts all der wartenden Kunden unnötig.
Anschließend fuhren wir noch tanken, dann zur Credit Union Bank, bei der die Lehrer ihr Geld anlegen, wo ich mit einem Angestellten eine interessante Diskussion über Demokratie hatte. Besagter Mann behauptete, dass Demokratie als Staatsform für Afrika nicht tauge, da die Menschen nicht dafür geschaffen seien, einen ausnützten, wenn man ihnen Freiheit gäbe, angetrieben werden müsste, geführt. Er war sehr angetan von Muammar al Gaddafi, meinte, er hätte großartige Arbeit geleistet, das Land aufgebaut und wie schade es doch wäre, dass er letztens erschossen wurde. Ja, man merkt dann doch, wie beliebt er gewesen sein muss, bei der Verabschiedung...
Als mich Mr.Noel endlich aus diesem Gespräch befreite, ging es noch lange nicht zum Fußballplatz, nein wir fuhren nochmal kurz in die Schule, mittlerweile war das mit dem Fußball eh so eine Sache, es regnete in Strömen und dann mussten wir noch zum University Compound, auf dem ich davor  noch nicht gewesen war. Die University of Cape Coast liegt im Westen der Stadt, in Richtung Elmina. Und sie ist einfach riesig, wenn man mit dem Auto über das Universitätsgelände fährt (die Hauptstraße ist asphaltiert, breiter als irgendwo in der Stadt und mit Laternen gesäumt), bekommt man tatsächlich das Gefühl, dies sei eine andere Stadt. Das Gelände ist so weitläufig, dass es an mehrere Viertel angrenzt und auch selbst über alles Nötige an Infrastruktur verfügt. Es gibt auf dem Kampus neben den verschiedenen Fakultäten viele Wohnhäuser für Studenten und Dozenten, eine sehr große Bibliothek und eine noch viel Größere, die sich im Moment im Bau befindet. Es gibt mehrere Banken, eine Post Office, alle Shops und Store, wie auch sonst wo, man kann alles kaufen, was es auch in der Stadt gibt, es gibt Schneider un Frisöre und eine eigene Taxistation, Supermärkte, Restaurants, Bars, Internetcafés etc. Auch Wohnhäuser, von Leuten, die sich irgendwann einmal unerlaubt auf dem gigantischen Gelände angesiedelt haben. Und in alle Richtungen geht es kilometerweit so weiter. Ursprünglich war all das nur dafür gedacht, um  Lehrer auszubilden, woran man erkennt, warum Cape Coast die Bildungshauptstadt Ghanas ist. Mittlerweile sind jedoch die anderen Fakultäten deutlich größer, was man meiner Meinung nach auch an der Ausbildung einiger Lehrer spürt.
Danach ging es allerdings wirklich zum Fußballplatz, zumindest nachdem Noel noch bei seinem Department vorbeigeschaut hatte, noch zwei Leute getroffen, sich mit ihnen unterhalten und noch sein Postfach geleert hatte. Als wir ankamen, war es schon fast elf Uhr. Jedoch nahm mich Mr.Dadzie sofort wieder mit, ironischerweise zurück zum Universitätsgelände, wo wir Mr.Ampah abholten, der dort die Spielpläne kopiert hatte. Irgendwann später schaute ich mir dann auch noch ein oder zwei Spiele an, zusammen mit Theresa, die auch nachkam, weil Wesley Girls auch im selben Circuit liegt. An diesem Tag spielten die Jungs Fußball, die kleinen, bis zur sechsten Klasse. Die Mädchen spielten Volleyball oder auch Net Ball, was eine bizarre Form des Basketball ist, bei dem man auf einen viel höheren Korb werfen muss, der über kein Brett verfügt und das Ganze dann noch auf der Wiese. Das Fußballfeld, war nebenbei bemerkt, aber auch nicht ganz koscher. Es war zum einen zur einen Seite ziemlich abschüssig, hügelig, buckelig und andererseits auch einfach zu groß. Es war deutlich länger und auch breiter als ein normaler Platz, weshalb sich das Spiel auch immer nur in einer
Hälfte einer Spielhälfte abspielte, sozusagen im Sechzehner. Nach einem Spiel blieben wir noch da, um dem Elfmeterschießen beizuwohnen, was wirklich sehenswert war. Alle Spieler und Zuschauer (deutlich über 1000 Kinder) versammelten sich dazu auf dem Platz, in einem Kreis, um das Tor. In der Mitte standen der Torwart und der entsprechende Schütze, der dann nur noch treffen musste, unter dem Lärm des Menschenringes um ihn herum. Am nächsten Tag traf ich mich mit Theresa vor meiner Schule, als ich dann erfuhr, dass ich diesmal nicht extra hätte kommen müssen, um mich einzutragen; wir waren dann aber trotzdem ziemlich früh am Feld und schauten meinen JHS- Jungs beim Sieg über Cherubim (Was für ein Name!) zu und ich versuchte sie auch vor dem Spiel noch zu motivieren. Später verloren sie jedoch im Halbfinale gegen das St.Augustine´s College und ich machte mich auf dem Heimweg, mich etwas auszuruhen, denn es lag noch eine lange Nacht vor uns. Nach einer Runde Benockel (Kartenspiel) machten wir uns gegen halb elf auf den Weg ins Oasis, wo Silja in ihren Geburtstag reinfeiern wollte. Wir setzen uns an einen Tisch am Strand und genossen die herrliche Brandung des Meeres, während wir ein wenig Rum tranken, den wir bei uns hatten, bzw. Silja hatte vorgesorgt. Der Rum (42%, in kleinen 50ml Tüten eingeschweißt) schmeckte gar nicht schlecht, vor allem, wenn man bedenkt, dass einen eine Tüte, die 2,5 Shots enthält nur 20 Persewa, also unter 10 Cent kostet! Im Laufe des Abends nickte ich sogar am Strand ein, wie auch Nico, da ich schon vorher nicht auf Party aus war und wir machten uns glücklicherweise gegen halb zwei auch auf den Heimweg.
Samstagmittag, nach einem ausführlichen Frühstück, trafen wir (alle vier WGs) uns am Strand, hier vor unserem Haus und Silja hatte nicht gegeizt mit ihrem angekündigten Geburtstagsbuffet. Es gab Boffet (Teigbällchen, die sie tatsächlich aufgeschnitten, mit Erdbeermarmelade bestrichen und in Zucker gewälzt hatte, sodass man einen perfekten Berliner erhielt), Kekse, Schokokekse, Butterkekse, Cola, Fanta, Plantain Chips, Cracker, Ananas und alles mögliche, sodass wir nach einer ehrfürchtigen Erstarrung kaum glauben konnten, was uns alles geboten wurde. Ich zumindes nicht. Nach einer halben Stunde hatte ich dann eine Art Zuckerschock, was uns alle aber nicht daran hinderte, ins Meer zu rennen, ein wenig zu schwimmen, was unglaublich viel Kraft kostet, vor allem, da die Wellen, wie schon erwähnt,
einfach riesig sind.
Leider erfuhren wir, dass in der Nacht zuvor, wohl zwischen ein und zwei Uhr, nur eine Querstraße von Emmas Haus, in dem die eine WG lebt, ein Mord geschehen war. Ein Taxifahrer wurde mit durchschnittener Kehle und Messerspuren im Gesicht auf der Straße vor seinem Taxi tot aufgefunden und Deborah, die sich mit Nachbarn unterhalten hatte, musste sich das leider noch auf Fotos ansehen, die besagte Nachbarn morgens, als der Mann noch dort lag, aufgenommen hatten. Die Polizei kam so gegen sieben Uhr und was man uns sagte, war, dass die Polizei nicht kommt, wenn man sie ruft, man muss persönlich erscheinen und die Beamten überreden, mitzukommen. Ich hoffe sehr, dass das nicht so ganz stimmt. Später, als wir schon wieder Zuhause waren, kam Nico mal wieder zum Duschen vorbei, denn, wie er so lesend am Strand gelegen hatte, kam eine Welle wohl weiter raus, als die anderen und überspülte ihn mitsamt seines Handtuchs und all seiner Klamotten. Aber das waren wir von ihm schon gewöhnt. Abends gingen wir noch ins Solace und anschließend in einen Spot in Abra, bevor wir heimliefen, um uns für unser Sonntagsprogramm auszuschlafen.

Sonntag absolvierten wir mal wieder ein eher touristisches Programm, man kann es aber auch eine Art Fortbildung nennen, denn wir besuchten das Castle von Cape Coast, um mehr über den Sklavenhandel und die Geschichte Ghanas zu erfahren. Das Castle ist ein mehrere hundert Jahre alter, weißer und trotz seiner Schlichtheit monströser Bau, direkt über dem Meer. Unser Führer, Mr.Mensah, ist ein Lehrer an meiner Schule, sodass er von mir immer als sein "Brother" sprach, wenn er irgendwelche Personen während der Tour
in Beispielerzählungen mit einbezog. Wir lernten viel und sahen die Kerker, in die die Sklaven vor ihrer Verschiffung eingesperrt wurden. Mehrere hundert Männer, ohne Tageslicht oder Nahrung, die mit all ihren Exkrementen auf etwa 50m² für bis zu drei Monate in einen Dungeon eingesperrt wurden.
So lief das viele Jahrzehnte. Die Europäer kamen, wie zuvor auch schon die Araber, kauften Sklaven, meist Einheimische aus dem norden Ghanas, Togos oder des Benin, die von irgendwelchen Königen uns Stammesherrschern neben Gold und Elfenbein verkauft wurden. Diese wurden dann im Castle zwischengelagert, ausgehungert, bis sie zu hunderten auf ein Schiff passten, dicht an dicht, um anschließend nach Amerika verschifft zu werden. So schließt sich der Dreieckshandel, bei dem allein von Ghana und Umgebung um die 20 Millionen Sklaven verkauft wurden, der Großteil überlebte die Reise nicht. Oder nicht einmal den Aufenthalt im Castle, sodass ihnen andererseits der Schritt durch die "Door of No Return" und die Qualen auf See und danach erspart blieben. Wir erfuhren unglaubliche Dinge im Castle, über die Kolonialzeit und welche unglaublichen Mengen an Gold die Portugiesen und Engländer und Holländer aus Ghana
geschafft hatten in all der Zeit. Hunderte Kilos. Milliarden an Dollar, ein nicht unbeträchtlicher Teil dessen, auf was unser Reichtum in der westlichen Welt  heute gründet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch ein Buch empfehlen, dass ich gerade lese: "Ach, Afrika" von Bartholomäus Grill, erschienen im Goldmann Verlag.
Ein Buch, das einem hilft zu verstehen, die Augen öffnet, Geschichten, Zahlen und unbekannte Zusammenhänge vor Augen führt, einen berührt und nicht wieder loslässt.
Ich bin von dem Mann tief beeindruckt und denke, er kann wirklich von sich sagen, viel von Afrika kennengelernt zu haben. Eine absolute Empfehlung und ein Muss, für alle, die an Afrika interessiert sind.

Cape Coast Castle



Mr. Mensah, ein Lehrer meiner Schule und unser Guide, vor dem Male Dungeon




So ging der Sonntag geschichtsträchtig zu Ende.
Geschichtsträchtig war auch die Wasserlieferung, die wir bekamen. Wassersäcke für 15 Cedi, sprich 150 Liter Trinkwasser. Das sollte hoffentlich für den nächsten Monatreichen und erspart uns die mühselige Beschaffung.
Der Monat fand sein Ende dann im Baobab, als wir Montag zum Tag der offenen Tür vorbeischauten, um zu sehen, was unsere weltwärts- Kollegen aus dem Restaurant und Hotel gemacht hatten, das von der Baobab Children Foundation aus Freiburg geführt wird. Das Ergebnis hat uns, neben dem leckeren Essen und den selbstgepressten Säften, überzeugt. Jeder, der kommen möchte, kann dort für 25 Cedi im Doppelzimmer untergebracht und bestens versorgt werden.
Also, los gehts...

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