Montag, 14. November 2011

"Der Besuch des Herrn Hasselmann"

Hier in Ghana treffen zwei Welten aufeinander. Mindestens. Einerseits überqueren wir allmorgendlich totgefahrene Skorpione, gelynchte Schlangen oder riesige Ameisenstraßen, das Wasser fällt ab und zu einmal aus oder kommt bräunlich aus der Leitung, die Straßen verdienen ihren Namen kaum, die Infrastruktur hat erhebliche Mängel, das Taxi, in dem ich vor kurzem saß, hatte ein solches Rostloch durch den Kotflügel, dass ich von meinem Stiz aus durch das Loch auf die Straße hinausschauen konnte, andererseits waren wir inzwischen in der Vodafone Office, um an die fortschrittliche Seite Ghanas heranzukommen: WLAN.

Denn das Handynetz und die Telekommunikationsinfrastruktur steht der unseren in Deutschland, wenn man mal auf ein richtiges Dorf, ob in Schwaben, im Odenwald oder im Spessart hinausfährt, in nichts nach. Sehnsüchtig erwarteten wir nun also die Einrichtung unseres eigenen WLANs, einem Stück Hoffnung, einem Stück Heimat. Es sollte sich noch etwas hinziehen.

Erst einmal gingen wir unserem üblichen Tagesgeschäft nach und ich besorgte mir nach zahlreichen Enttäuschungen endlich meine lang ersehnte Gitarre. Ich musste leider erst in verschiedenen Geschäften Saiten zerstören, aber letzten Endes fand ich eine, die scheinbar nicht seit Monaten Hitze und Staub und Luftfeuchtigkeit ausgesetzt war, sodass sie sich innerhalb eines halben Tages stimmen ließ. Eine Westergitarre aus China. Modell "jixing". Inzwischen habe ich sie wirklich schätzen gelernt und sie ist ganz gut, auch wenn ich zu Beginn noch dachte: "Was haben diese Chinesen bloß mit den Stahlsaiten gemacht? Mit Platin verstärkt?"
Außerdem bekamen nun auch meine restlichen WG- Mitbewohner Schreibtische. Und zwar nicht in lila, sondern braun. Dafür aber nicht so groß wie meiner.
Eine interessante Abwechslung wurde Gesine und Hannah geboten, die mittlerweile an zwei Fotoshootings Modell standen, für die Organisation "Global Mamas", die fairtrade- Kleidung und Schmuck aus Ghana vertreibt und Gesine und Hannah für ihren Händlerkatalog ablichten ließ. Wirklich professionelle Aufnahmen. Respekt. Auch vor den Models.

Am ersten Novemberwochenende dann kam unser erster Gast zu Besuch. Herr Hasselmann, der in dem selben Dorf wohnt, aus dem Hannah kommt. Er ist dort technischer Leiter des Krankenhauses und hat, nebenbei bemerkt, ab 1975 das BWK in Ulm mitaufgebaut und technisch ausgestattet. Klein ist die Welt. Herr Hasselmann kommt seit vierzehn Jahren nach Ghana, hat also schon viel Veränderung in diesem Land miterlebt. Er kommt ein- bis zweimal im Jahr, wozu er fast seinen kompletten Jahresurlaub aufwendet. Auf eigene Kosten reist er an und durch seine Kontakte und eigenen Erfahrungen und Qualifikationen gelang es ihm im Laufe der Jahre sechs Projekte zu starten. In verschiedenen Städten und Dörfern. Er stattete eine Klinik aus, renovierte eine weitere und ließ eine komplett neu errichten. Dazu besorgt er "ausgedientes" Material aus Deutschland. Krankenwagen. OP- Geräte, Sauerstoff- und Narkosegeräte, Generatoren etc.
Er hat auch durch Spenden eine Schule aufgebaut und noch weitere Projekte, die er überwacht und immer wieder besucht und nach und nach in andere Hände übergibt.
Er hat hier in der Nähe unseres Hauses im EwuraFio Guest House übernachtet und wir haben ihn dann den gesamten Samstag in Cape Coast herumgeführt. Den Strand besichtigt, das Krankenhaus (ja, manchmal ist das leider mehr oder weniger nötig), die Stadt und den Markt, das Baobab Projekt, bei dem er uns zum essen einlud, und vor allem: das Fort William.
Das Fort William, eines der beiden Forts, neben dem Fort Victoria, ist wirklich sehenswert. Ein aus der Kolonialzeit stammender Leuchtturm, der unter anderem dazu diente, Ausschau nach Feinden der Kolonialmacht zu halten und notfalls entsprechende Leuchtsignale abzugeben.
Man erreicht den Turm aus der Stadt ziemlich schnell und einfach, er ist auch recht schwer zu übersehen. Nur den genauen Weg, sobald man den Hügel erklommen hat, muss man erst einmal finden. Zuerst durchschritten wir einen Spot, eine Art Bar, diese mussten wir durchqueren, um auf eine Treppe zu gelangen, die uns hinaufführte. Außer uns war niemand da. Keine Touristen, kein Troubel, nur eine Frau mit ihren Kindern, die im Fort haust und gerne kleine Spenden entgegennimmt, wenn sie einen die letzten Stufen zum Dach des Turms führt.
Die Aussicht ist spektakulär. Nichts steht einem im Weg, man überschaut das Land kilometerweit in alle Richtungen, erhält einen guten Überblick über die Stadt, es ist einfach atemberaubend und wunderschön, besonders, wenn die Sonne scheint und der Wind einem entgegenschlägt. Einfach traumhaft. Im Gegensatz zu den Treppen, scheinbar waren die Menschen damals einfach kleiner als heute, zudem ist der Zustand des Forts besorgniserregend. Überall bröckelt und rostet es, was wirklich schade ist, da die Aussicht einfach fantastisch ist.

Sonntagmorgen, nach dem Frühstück verließ uns Herr Hasselmann wieder, nicht ohne uns noch eine Präsentation seiner Projekte zu zeigen. Es war schön, Entwicklungszusammenarbeit einmal aus einer anderen Perspektive mitzuerleben und zu sehen, wie sich seine Projekte im Laufe der Zeit entwickelt haben und was er alles erreicht hat. Ein wirklich interessanter Ausstausch.
Montag war dann - oh Freude - ein Feiertag. Nein, eigentlich war Sonntag ein muslimischer Feiertag, aber weil die Muslime ja dann kräftig feiern, bekommen sie am Folgetag frei - und das restliche Land einfach dazu. Ein schöner Brauch. Hannah und Gesine waren dann mal wieder beim Fotoshooting und wir anderen haben die Zeit zum Entspannen genutzt und Kraft getankt, für die nächste Woche.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen