Montag, 14. November 2011

"Dwarfs vs. Hearts"

Nach einem entspannten, verlängerten Wochenende ging meine Woche am Dienstag ziemlich brisant los.
Ich saß, wie oft, lesend draußen auf dem überdachtem Gang vor dem Lehrerzimmer, als ich Schreie höre. Markerschütternde Schreie, durchklingend durch die sehr dicken Steinwände, wie bei der Schlachtung eines Schweines. Immer wieder. Also stand ich auf und ging ins Lehrerzimmer. Der Anblick erschreckte mich wirklich. Über den Tisch lag bauchlängs ein Junge aus Form3, vier von den großen Jungs hielten ihn an Armen und Beinen fest und zogen in alle vier Richtungen, sodass er möglichst wenig zappeln konnte. Ein Lehrer stand
daneben, heftig mit dem Cane auf den Hintern (und was er bei der "Arbeit" noch so traf) des Jungen schlagend. Wirklich sehr stark. zehnmal, zwanzigmal, dreißigmal, irgendwann habe ich aufgehört zu zählen. Immer wieder unterbrach er, um den Jungen etwas auf Fante zu fragen, was ich folglich nicht verstand. Der Junge schrie und zappelte und weinte. So ging das mindestens zehn Minuten, eher 15.
Der Vater des Jungen stand derweil daneben und sah zu. Ich konnte es dann nicht mehr ansehen, ich konnte und wollte das nicht verstehen, drehte mich um und ging.

Am nächsten Tag saß ich wieder an besagter Stelle, als ich erneut lautes Gerede hörte. Dann Schreie. Schon wieder? Ich ging vors Lehrerzimmer um wieder lag ein Junge über den Tisch gestreckt, wie auf einer Streckbank und wurde verprügelt. Diesmal allerdings war das Lehrerzimmer besetzt mit der halben, redenden Lehrerschaft, also fragte ich nach, was denn los sei. Es musste doch einen "vernünftigen Grund" für all das geben! Den gab es auch mehr oder weniger. Ich erfuhr, dass der Junge von gestern seinem Vater, einem Handyverkäufer, insgesamt drei neue Handys geklaut und diese an Freunde weitergegeben hatte. Nachdem er seinem Vater nichts erzählen wollte, brachte dieser ihn zur Schule, damit die Lehrer ihn bei der Ermittlung und Erziehung unterstützen. Der Junge kniete gestern übrigens vor seinem Vater nieder und flehte heulend um Verzeihung.
Mittwoch jedoch war die Lage noch präkerer. Der Junge hatte seiner Mutter, die ebenfalls mit ihrem "Fall" zur Schule gekommen war und ironischerweise Polizistin ist, erst 600 Cedi aus der Tasche geklaut und sich dann noch einmal 40 Cedi und noch einmal 50 Cedi selbst zugeführt, die eigentlich als Schulgeld gedacht waren. Der Junge wurde geschlagen, bis er endlich anfing zu reden. Erst hatte er lange standgehalten und gelogen. Irgendwann gab er auf. Seine Mutter weinte. Nach ein paar weitern Schlägen kam heraus, dass noch drei weitere Jungs involviert waren, die dann herbeigerufen und ebenfalls geschlagen wurden, bis sie auspackten. "Das einzige Mittel, dass gegen solche Leute hilft", wie man mir sagte. "Eine andere Sprache verstehen die nicht." Aha. Bei uns hätte man die Jungs zur Polizei gebracht, ihnen Sozialstunden aufgebrummt,
es hätte je nach Alter einen Eintrag ins Führungszeugnis gegeben. Fertig. Hier sagte man mir, dass die Jungs noch Glück gehabt hätten, denn Diebstahl ist kein Spaß und zugegeben, 600 bzw. 690 Cedi sind ein Haufen Geld, ein mehrfacher Monatslohn mancher Menschen. Hätte die Mutter ihren Sohn mit auf die Polizeistelle gebracht, wo sie nebenbei bemerkt auch wohnen, dann hätte die Polizei angeblich ganz anders gehandelt. Ihn erst einmal eingesperrt, dann richtig rundgemacht,  nicht so lächerlich wie die Lehrer in der Schule. Vielleicht sogar in ein Jugenderziehungslager gesteckt, die von Militärs geführt werden.
Nach dem Gespräch war ich fast froh, dass er einfach etwas verprügelt wurde und dass es nun vorbei war. Man hatte uns schon einmal erklärt, wenn man auf dem Markt beklaut würde, solle man es einfach für sich behalten, denn ansonsten könnte es passieren, dass die Menschen sich über den Dieb stürzten und ihn tottrampeln.

Danach wurde der Mittwoch schöner. Wir gingen zum Fußballspiel. Dwarfs gegen Hearts of Oak. Cape Coast gegen Accra, die Hauptstadt. Erste Liga, im Stadion, das auf dem Weg von der Stadt zu uns nach Hause liegt. vor dem Stadion ist die Hölle los, die Menschen quetschen sich vor dem Eingang, bei dem Till und ich anstehen. Die anderen warten schon drinnen. Die Straße platz aus allen Nähten, überall wird geparkt. Vorwärtskommen ist jetzt eh kein Thema mehr. Für vier Cedi kommen wir rein, das Stadion wird bei diesem Mittwochsspiel allerdings nicht ganz voll, sodass sich schätzungsweise 2500 Menschen darin befinden. Auf Betontribünen, teilweise stehend. Es gibt auch einen kleinen überdachten Teil und eine kleine Loge. Das Spiel beginnt mit einer halben Stunde Verspätung, allerdings ist Accra, in weiß, mit nur neun Mann auf dem Platz. Ein ungewohnter Anblick. Neun gegen elf. Nach ein paar Minuten kommt der zehnte, kurz darauf der elfte Mann auf den Platz, scheinbar waren sie zu spät und nicht mehr ins Stadion, sprich in die Umkleide, gekommen. Die gelb- grünen aus Cape Coast, die den witzigen Namen Gartenzwerge tragen, führen das Spiel, haben sensationelle Chancen, ohne diese zu verwandeln. Halbzeit. Danach geht es deutlich schleppender, Accra gibt Gas, die Menge wird unruhig, um uns herum kommt es zu gröberen Auseinandersetzungen, immer mehr Menschen nehmen teil, es wird geschubst, so mancher landet ein oder zwei Stufen tiefer oder wird rausgezogen. Dank des Tors von Cape Coast beruhigt sich die Meute glücklicherweise wieder, besonders nachdem es direkt neben mir auch unruhig geworden war. Aber an diesem Tag sollte Cape Coast gewinnen und so ziemlich alle waren glücklich. Auch wir, es war ein  sehenswertes Spiel gewesen, auch wenn die Unterbrechungen bisweilen etwas nervten, nachdem der Schiri einen Wasserbeutel an den Kopf bekommen hatte.

Auch der Donnerstag sollte glücklich enden, denn wir bekamen Besuch von Vodafone. Einen etwas bizarren Besuch. Erst kamen die Jungs, die uns zuvor schon zu zweit besucht hatten, um das Haus anzusehen und kaum den Weg fanden deutlich zu spät und dann standen sie etwa 100 Meter enfernt und saßen in ihrem Auto, ohne, trotz deutlicher Verspätung, Anstalten zu machen, zu kommen. Gesine schaute einmal nach und da saßen sie, mit zurückgelegten Sitzen in ihrem roten Vodafone Pick- up und auf die Frage, was sie machten, sagten sie, sie suchten nach dem Haus. Dann kamen sie, Gesine stieg aus dem Auto und sie fuhren in die andere Richtung wieder weg. Ich gebe zu, wir waren etwas verwirrt. Nach einer Weile kamen sie zurück, einer begann, die Telefonleitung zu verlegen, der andere musste wieder wohin. Nach einigem Hin- und her stand alles. Das Telefon und der Rooter und - es funktionierte noch nicht.
Aber wir waren begeistert, Vodafone rief noch zweimal an und fragte, ob es ging und auf unser Verneinen hin, kamen abends tatsächlich wieder zwei vorbei und lösten das Problem und siehe da: es ging! Unglaublich. WLAN in Afrika. Kein fließendes Wasser, dafür fließende Bits und Bytes. Ein Stück Zuhause. Definitiv.
Plötzlich konnten wir die Tagesschau ansehen und den Tatort von letztem Sonntag, die Welt stand uns offen! Es würde ein schönes Wochenende werden, soviel stand fest, auch wenn ich am Freitag in der Schule eine eher unschöne Begegnung hatte. Eine Begegnung des Irrglaubens und Verwirrens, des Angsstiftens und Machtausnutzens. Nach dem Unterricht fragten mich die Jungs, was denn nun heute passieren würde, am 11.11.2011?!? Der Pastor hatte nämlich gesagt, die Welt würde an diesem Tag auseinanderspringen, untergehen, das Jüngste Gericht würde heute kommen. Was soll mann da sagen? Nein. Ich war genervt und erzürnt, dass Menschen, die Verantwortung tragen, Kindern solche Ammenmärchen erzählen, sei es aufgrund von ihren persönlichen Verwirrungen oder Machtmissbrauch.

Es wurde trotzdem ein sehr schönes Wochendend mit meiner WG und Jessica, unserer "neuen Mitbewohnerin auf Teilzeit" und all den anderen, die wir am Sonntagnachmittag in Abura trafen. Insgesamt aber unternahmen wir an diesem Wochenende nichts, entspannten völlig, erholten uns vom Alltag.

Der sah heute, am Montag, völlig anders aus als sonst. Zumindest bei mir. Morgens stand ich um fünf auf, ging kurz nach Sonnenaufgang in die Stadt, zum Victoria Park, wo ich ab halb sieben auf die Jungs wartete. Basketballtraining. Leider verstehe ich nicht viel vom Basketball, aber trotzdem hatte ich meinen Spaß und es gibt auch einiges, das ich in nächster Zeit mit den Jungs machen kann. Mit der Zeit habe ich mir vorgenommen, eine Art Trainingsplan zu erstellen. Aber erstmal reinkommen. Man wird dann sehen, was daraus wird.

"Der Besuch des Herrn Hasselmann"

Hier in Ghana treffen zwei Welten aufeinander. Mindestens. Einerseits überqueren wir allmorgendlich totgefahrene Skorpione, gelynchte Schlangen oder riesige Ameisenstraßen, das Wasser fällt ab und zu einmal aus oder kommt bräunlich aus der Leitung, die Straßen verdienen ihren Namen kaum, die Infrastruktur hat erhebliche Mängel, das Taxi, in dem ich vor kurzem saß, hatte ein solches Rostloch durch den Kotflügel, dass ich von meinem Stiz aus durch das Loch auf die Straße hinausschauen konnte, andererseits waren wir inzwischen in der Vodafone Office, um an die fortschrittliche Seite Ghanas heranzukommen: WLAN.

Denn das Handynetz und die Telekommunikationsinfrastruktur steht der unseren in Deutschland, wenn man mal auf ein richtiges Dorf, ob in Schwaben, im Odenwald oder im Spessart hinausfährt, in nichts nach. Sehnsüchtig erwarteten wir nun also die Einrichtung unseres eigenen WLANs, einem Stück Hoffnung, einem Stück Heimat. Es sollte sich noch etwas hinziehen.

Erst einmal gingen wir unserem üblichen Tagesgeschäft nach und ich besorgte mir nach zahlreichen Enttäuschungen endlich meine lang ersehnte Gitarre. Ich musste leider erst in verschiedenen Geschäften Saiten zerstören, aber letzten Endes fand ich eine, die scheinbar nicht seit Monaten Hitze und Staub und Luftfeuchtigkeit ausgesetzt war, sodass sie sich innerhalb eines halben Tages stimmen ließ. Eine Westergitarre aus China. Modell "jixing". Inzwischen habe ich sie wirklich schätzen gelernt und sie ist ganz gut, auch wenn ich zu Beginn noch dachte: "Was haben diese Chinesen bloß mit den Stahlsaiten gemacht? Mit Platin verstärkt?"
Außerdem bekamen nun auch meine restlichen WG- Mitbewohner Schreibtische. Und zwar nicht in lila, sondern braun. Dafür aber nicht so groß wie meiner.
Eine interessante Abwechslung wurde Gesine und Hannah geboten, die mittlerweile an zwei Fotoshootings Modell standen, für die Organisation "Global Mamas", die fairtrade- Kleidung und Schmuck aus Ghana vertreibt und Gesine und Hannah für ihren Händlerkatalog ablichten ließ. Wirklich professionelle Aufnahmen. Respekt. Auch vor den Models.

Am ersten Novemberwochenende dann kam unser erster Gast zu Besuch. Herr Hasselmann, der in dem selben Dorf wohnt, aus dem Hannah kommt. Er ist dort technischer Leiter des Krankenhauses und hat, nebenbei bemerkt, ab 1975 das BWK in Ulm mitaufgebaut und technisch ausgestattet. Klein ist die Welt. Herr Hasselmann kommt seit vierzehn Jahren nach Ghana, hat also schon viel Veränderung in diesem Land miterlebt. Er kommt ein- bis zweimal im Jahr, wozu er fast seinen kompletten Jahresurlaub aufwendet. Auf eigene Kosten reist er an und durch seine Kontakte und eigenen Erfahrungen und Qualifikationen gelang es ihm im Laufe der Jahre sechs Projekte zu starten. In verschiedenen Städten und Dörfern. Er stattete eine Klinik aus, renovierte eine weitere und ließ eine komplett neu errichten. Dazu besorgt er "ausgedientes" Material aus Deutschland. Krankenwagen. OP- Geräte, Sauerstoff- und Narkosegeräte, Generatoren etc.
Er hat auch durch Spenden eine Schule aufgebaut und noch weitere Projekte, die er überwacht und immer wieder besucht und nach und nach in andere Hände übergibt.
Er hat hier in der Nähe unseres Hauses im EwuraFio Guest House übernachtet und wir haben ihn dann den gesamten Samstag in Cape Coast herumgeführt. Den Strand besichtigt, das Krankenhaus (ja, manchmal ist das leider mehr oder weniger nötig), die Stadt und den Markt, das Baobab Projekt, bei dem er uns zum essen einlud, und vor allem: das Fort William.
Das Fort William, eines der beiden Forts, neben dem Fort Victoria, ist wirklich sehenswert. Ein aus der Kolonialzeit stammender Leuchtturm, der unter anderem dazu diente, Ausschau nach Feinden der Kolonialmacht zu halten und notfalls entsprechende Leuchtsignale abzugeben.
Man erreicht den Turm aus der Stadt ziemlich schnell und einfach, er ist auch recht schwer zu übersehen. Nur den genauen Weg, sobald man den Hügel erklommen hat, muss man erst einmal finden. Zuerst durchschritten wir einen Spot, eine Art Bar, diese mussten wir durchqueren, um auf eine Treppe zu gelangen, die uns hinaufführte. Außer uns war niemand da. Keine Touristen, kein Troubel, nur eine Frau mit ihren Kindern, die im Fort haust und gerne kleine Spenden entgegennimmt, wenn sie einen die letzten Stufen zum Dach des Turms führt.
Die Aussicht ist spektakulär. Nichts steht einem im Weg, man überschaut das Land kilometerweit in alle Richtungen, erhält einen guten Überblick über die Stadt, es ist einfach atemberaubend und wunderschön, besonders, wenn die Sonne scheint und der Wind einem entgegenschlägt. Einfach traumhaft. Im Gegensatz zu den Treppen, scheinbar waren die Menschen damals einfach kleiner als heute, zudem ist der Zustand des Forts besorgniserregend. Überall bröckelt und rostet es, was wirklich schade ist, da die Aussicht einfach fantastisch ist.

Sonntagmorgen, nach dem Frühstück verließ uns Herr Hasselmann wieder, nicht ohne uns noch eine Präsentation seiner Projekte zu zeigen. Es war schön, Entwicklungszusammenarbeit einmal aus einer anderen Perspektive mitzuerleben und zu sehen, wie sich seine Projekte im Laufe der Zeit entwickelt haben und was er alles erreicht hat. Ein wirklich interessanter Ausstausch.
Montag war dann - oh Freude - ein Feiertag. Nein, eigentlich war Sonntag ein muslimischer Feiertag, aber weil die Muslime ja dann kräftig feiern, bekommen sie am Folgetag frei - und das restliche Land einfach dazu. Ein schöner Brauch. Hannah und Gesine waren dann mal wieder beim Fotoshooting und wir anderen haben die Zeit zum Entspannen genutzt und Kraft getankt, für die nächste Woche.

Dienstag, 8. November 2011

"Wie die Zeit vergeht..."

Wie überall auf der Welt, so vergeht auch hier die Zeit sehr schnell, besonders wenn man beschäftigt ist und ständig von neuen Eindrücken überrannt wird. Wenn man dann eben mal innehält und zurückblickt, denkt man: "Was, wie lange bist du nun hier? Noch keine zwei Monate?" Und man merkt, was man wieder alles erlebt hat, in so kurzer Zeit, vor allem, wenn man nicht dazu kam, seinen Blog ordentlich weiterzuführen.

Ende Oktober stand das erste Fußballturnier an, bei dem meine Schule teilnahm. Es gibt in jedem Term (Das Schuljahr ist in drei Terms unterteilt) ein Fußball turnier im Bakaano Circuit, zu welchem etwa 14 Schulen gehören, von denen wiederrum 10 teilnahmen.
Das Ganze fand auf dem Fußballplatz der Methodist Middle School statt, weshalb ich mich sehr gefreut hatte, denn sie liegt nur ungefähr 15- 20 Gehminuten von unserem Haus hier in Ola entfernt. Wie sich herausstellte, musste ich dann allerdings Donnerstagmorgen an dieser Schule vorbeilaufen, das Taxi zu meiner Schule nehmen, wie jeden Morgen im Attendance Book unterschreiben, dass ich anwesend war, nur um anschließend wieder zurück zur Methodist Middle School zurückzufahren. Allerdings nicht sofort.
Mr.Noel bot mir freundlicherweise an, mich mitzunehmen, aber er müsse vorher noch etwas erledigen. So fuhren wir kurz nach acht Uhr zur NIB (National Investment Bank), bei der Mr.Noel einen Kredit beantragen wollte, denn er möchte gerne seinen Doktor in Deutschland machen. So bald wie möglich. Die Bank hatte jedoch noch zu, wir warteten also. Auch in der Bank wartete ich eine Weile, weil man gerne mal von dem einen zum anderen Sachbearbeiter hin- und hergeschickt wird, um letztendlich wieder zum Ersten zurückzukehren. Mann könnte es überflüssige Bürokratie nennen oder einfach Schikane, denn als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme scheint es mir angesichts all der wartenden Kunden unnötig.
Anschließend fuhren wir noch tanken, dann zur Credit Union Bank, bei der die Lehrer ihr Geld anlegen, wo ich mit einem Angestellten eine interessante Diskussion über Demokratie hatte. Besagter Mann behauptete, dass Demokratie als Staatsform für Afrika nicht tauge, da die Menschen nicht dafür geschaffen seien, einen ausnützten, wenn man ihnen Freiheit gäbe, angetrieben werden müsste, geführt. Er war sehr angetan von Muammar al Gaddafi, meinte, er hätte großartige Arbeit geleistet, das Land aufgebaut und wie schade es doch wäre, dass er letztens erschossen wurde. Ja, man merkt dann doch, wie beliebt er gewesen sein muss, bei der Verabschiedung...
Als mich Mr.Noel endlich aus diesem Gespräch befreite, ging es noch lange nicht zum Fußballplatz, nein wir fuhren nochmal kurz in die Schule, mittlerweile war das mit dem Fußball eh so eine Sache, es regnete in Strömen und dann mussten wir noch zum University Compound, auf dem ich davor  noch nicht gewesen war. Die University of Cape Coast liegt im Westen der Stadt, in Richtung Elmina. Und sie ist einfach riesig, wenn man mit dem Auto über das Universitätsgelände fährt (die Hauptstraße ist asphaltiert, breiter als irgendwo in der Stadt und mit Laternen gesäumt), bekommt man tatsächlich das Gefühl, dies sei eine andere Stadt. Das Gelände ist so weitläufig, dass es an mehrere Viertel angrenzt und auch selbst über alles Nötige an Infrastruktur verfügt. Es gibt auf dem Kampus neben den verschiedenen Fakultäten viele Wohnhäuser für Studenten und Dozenten, eine sehr große Bibliothek und eine noch viel Größere, die sich im Moment im Bau befindet. Es gibt mehrere Banken, eine Post Office, alle Shops und Store, wie auch sonst wo, man kann alles kaufen, was es auch in der Stadt gibt, es gibt Schneider un Frisöre und eine eigene Taxistation, Supermärkte, Restaurants, Bars, Internetcafés etc. Auch Wohnhäuser, von Leuten, die sich irgendwann einmal unerlaubt auf dem gigantischen Gelände angesiedelt haben. Und in alle Richtungen geht es kilometerweit so weiter. Ursprünglich war all das nur dafür gedacht, um  Lehrer auszubilden, woran man erkennt, warum Cape Coast die Bildungshauptstadt Ghanas ist. Mittlerweile sind jedoch die anderen Fakultäten deutlich größer, was man meiner Meinung nach auch an der Ausbildung einiger Lehrer spürt.
Danach ging es allerdings wirklich zum Fußballplatz, zumindest nachdem Noel noch bei seinem Department vorbeigeschaut hatte, noch zwei Leute getroffen, sich mit ihnen unterhalten und noch sein Postfach geleert hatte. Als wir ankamen, war es schon fast elf Uhr. Jedoch nahm mich Mr.Dadzie sofort wieder mit, ironischerweise zurück zum Universitätsgelände, wo wir Mr.Ampah abholten, der dort die Spielpläne kopiert hatte. Irgendwann später schaute ich mir dann auch noch ein oder zwei Spiele an, zusammen mit Theresa, die auch nachkam, weil Wesley Girls auch im selben Circuit liegt. An diesem Tag spielten die Jungs Fußball, die kleinen, bis zur sechsten Klasse. Die Mädchen spielten Volleyball oder auch Net Ball, was eine bizarre Form des Basketball ist, bei dem man auf einen viel höheren Korb werfen muss, der über kein Brett verfügt und das Ganze dann noch auf der Wiese. Das Fußballfeld, war nebenbei bemerkt, aber auch nicht ganz koscher. Es war zum einen zur einen Seite ziemlich abschüssig, hügelig, buckelig und andererseits auch einfach zu groß. Es war deutlich länger und auch breiter als ein normaler Platz, weshalb sich das Spiel auch immer nur in einer
Hälfte einer Spielhälfte abspielte, sozusagen im Sechzehner. Nach einem Spiel blieben wir noch da, um dem Elfmeterschießen beizuwohnen, was wirklich sehenswert war. Alle Spieler und Zuschauer (deutlich über 1000 Kinder) versammelten sich dazu auf dem Platz, in einem Kreis, um das Tor. In der Mitte standen der Torwart und der entsprechende Schütze, der dann nur noch treffen musste, unter dem Lärm des Menschenringes um ihn herum. Am nächsten Tag traf ich mich mit Theresa vor meiner Schule, als ich dann erfuhr, dass ich diesmal nicht extra hätte kommen müssen, um mich einzutragen; wir waren dann aber trotzdem ziemlich früh am Feld und schauten meinen JHS- Jungs beim Sieg über Cherubim (Was für ein Name!) zu und ich versuchte sie auch vor dem Spiel noch zu motivieren. Später verloren sie jedoch im Halbfinale gegen das St.Augustine´s College und ich machte mich auf dem Heimweg, mich etwas auszuruhen, denn es lag noch eine lange Nacht vor uns. Nach einer Runde Benockel (Kartenspiel) machten wir uns gegen halb elf auf den Weg ins Oasis, wo Silja in ihren Geburtstag reinfeiern wollte. Wir setzen uns an einen Tisch am Strand und genossen die herrliche Brandung des Meeres, während wir ein wenig Rum tranken, den wir bei uns hatten, bzw. Silja hatte vorgesorgt. Der Rum (42%, in kleinen 50ml Tüten eingeschweißt) schmeckte gar nicht schlecht, vor allem, wenn man bedenkt, dass einen eine Tüte, die 2,5 Shots enthält nur 20 Persewa, also unter 10 Cent kostet! Im Laufe des Abends nickte ich sogar am Strand ein, wie auch Nico, da ich schon vorher nicht auf Party aus war und wir machten uns glücklicherweise gegen halb zwei auch auf den Heimweg.
Samstagmittag, nach einem ausführlichen Frühstück, trafen wir (alle vier WGs) uns am Strand, hier vor unserem Haus und Silja hatte nicht gegeizt mit ihrem angekündigten Geburtstagsbuffet. Es gab Boffet (Teigbällchen, die sie tatsächlich aufgeschnitten, mit Erdbeermarmelade bestrichen und in Zucker gewälzt hatte, sodass man einen perfekten Berliner erhielt), Kekse, Schokokekse, Butterkekse, Cola, Fanta, Plantain Chips, Cracker, Ananas und alles mögliche, sodass wir nach einer ehrfürchtigen Erstarrung kaum glauben konnten, was uns alles geboten wurde. Ich zumindes nicht. Nach einer halben Stunde hatte ich dann eine Art Zuckerschock, was uns alle aber nicht daran hinderte, ins Meer zu rennen, ein wenig zu schwimmen, was unglaublich viel Kraft kostet, vor allem, da die Wellen, wie schon erwähnt,
einfach riesig sind.
Leider erfuhren wir, dass in der Nacht zuvor, wohl zwischen ein und zwei Uhr, nur eine Querstraße von Emmas Haus, in dem die eine WG lebt, ein Mord geschehen war. Ein Taxifahrer wurde mit durchschnittener Kehle und Messerspuren im Gesicht auf der Straße vor seinem Taxi tot aufgefunden und Deborah, die sich mit Nachbarn unterhalten hatte, musste sich das leider noch auf Fotos ansehen, die besagte Nachbarn morgens, als der Mann noch dort lag, aufgenommen hatten. Die Polizei kam so gegen sieben Uhr und was man uns sagte, war, dass die Polizei nicht kommt, wenn man sie ruft, man muss persönlich erscheinen und die Beamten überreden, mitzukommen. Ich hoffe sehr, dass das nicht so ganz stimmt. Später, als wir schon wieder Zuhause waren, kam Nico mal wieder zum Duschen vorbei, denn, wie er so lesend am Strand gelegen hatte, kam eine Welle wohl weiter raus, als die anderen und überspülte ihn mitsamt seines Handtuchs und all seiner Klamotten. Aber das waren wir von ihm schon gewöhnt. Abends gingen wir noch ins Solace und anschließend in einen Spot in Abra, bevor wir heimliefen, um uns für unser Sonntagsprogramm auszuschlafen.

Sonntag absolvierten wir mal wieder ein eher touristisches Programm, man kann es aber auch eine Art Fortbildung nennen, denn wir besuchten das Castle von Cape Coast, um mehr über den Sklavenhandel und die Geschichte Ghanas zu erfahren. Das Castle ist ein mehrere hundert Jahre alter, weißer und trotz seiner Schlichtheit monströser Bau, direkt über dem Meer. Unser Führer, Mr.Mensah, ist ein Lehrer an meiner Schule, sodass er von mir immer als sein "Brother" sprach, wenn er irgendwelche Personen während der Tour
in Beispielerzählungen mit einbezog. Wir lernten viel und sahen die Kerker, in die die Sklaven vor ihrer Verschiffung eingesperrt wurden. Mehrere hundert Männer, ohne Tageslicht oder Nahrung, die mit all ihren Exkrementen auf etwa 50m² für bis zu drei Monate in einen Dungeon eingesperrt wurden.
So lief das viele Jahrzehnte. Die Europäer kamen, wie zuvor auch schon die Araber, kauften Sklaven, meist Einheimische aus dem norden Ghanas, Togos oder des Benin, die von irgendwelchen Königen uns Stammesherrschern neben Gold und Elfenbein verkauft wurden. Diese wurden dann im Castle zwischengelagert, ausgehungert, bis sie zu hunderten auf ein Schiff passten, dicht an dicht, um anschließend nach Amerika verschifft zu werden. So schließt sich der Dreieckshandel, bei dem allein von Ghana und Umgebung um die 20 Millionen Sklaven verkauft wurden, der Großteil überlebte die Reise nicht. Oder nicht einmal den Aufenthalt im Castle, sodass ihnen andererseits der Schritt durch die "Door of No Return" und die Qualen auf See und danach erspart blieben. Wir erfuhren unglaubliche Dinge im Castle, über die Kolonialzeit und welche unglaublichen Mengen an Gold die Portugiesen und Engländer und Holländer aus Ghana
geschafft hatten in all der Zeit. Hunderte Kilos. Milliarden an Dollar, ein nicht unbeträchtlicher Teil dessen, auf was unser Reichtum in der westlichen Welt  heute gründet. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch ein Buch empfehlen, dass ich gerade lese: "Ach, Afrika" von Bartholomäus Grill, erschienen im Goldmann Verlag.
Ein Buch, das einem hilft zu verstehen, die Augen öffnet, Geschichten, Zahlen und unbekannte Zusammenhänge vor Augen führt, einen berührt und nicht wieder loslässt.
Ich bin von dem Mann tief beeindruckt und denke, er kann wirklich von sich sagen, viel von Afrika kennengelernt zu haben. Eine absolute Empfehlung und ein Muss, für alle, die an Afrika interessiert sind.

Cape Coast Castle



Mr. Mensah, ein Lehrer meiner Schule und unser Guide, vor dem Male Dungeon




So ging der Sonntag geschichtsträchtig zu Ende.
Geschichtsträchtig war auch die Wasserlieferung, die wir bekamen. Wassersäcke für 15 Cedi, sprich 150 Liter Trinkwasser. Das sollte hoffentlich für den nächsten Monatreichen und erspart uns die mühselige Beschaffung.
Der Monat fand sein Ende dann im Baobab, als wir Montag zum Tag der offenen Tür vorbeischauten, um zu sehen, was unsere weltwärts- Kollegen aus dem Restaurant und Hotel gemacht hatten, das von der Baobab Children Foundation aus Freiburg geführt wird. Das Ergebnis hat uns, neben dem leckeren Essen und den selbstgepressten Säften, überzeugt. Jeder, der kommen möchte, kann dort für 25 Cedi im Doppelzimmer untergebracht und bestens versorgt werden.
Also, los gehts...